Urinanalyse bei Katze und Hund: Halten Urinteststreifen was sie versprechen?

Durch die Nutzung von Urinteststreifen erhoffen sich viele Haustierhaltende eine in der Anwendung einfache und günstige Alternative zum Tierarztbesuch um gesundheitliche Probleme ihres Haustieres frühzeitig zu erkennen, oder um chronische Krankheiten zu überwachen. Der schnelle und einfache Test von Zuhause soll dem Tier außerdem den mit einem Tierarztbesuch verbundenen Stress ersparen. Nicht selten haben wir außerdem erlebt, dass die Überwachung der Glucose und der Ketone bei Felinem Diabetes mellitus per Urinteststreifen erfolgt.

Deshalb befassen wir uns in diesem Beitrag genauer mit der Urinanalyse per Teststreifen für die Heimanwendung. Wir erklären euch ob die Anwendung tatsächlich zuverlässig ist.

Quantitative vs. semiquantitative Tests

Bei Urinteststreifen handelt es sich um ein sogenanntes semiquantitatives Testverfahren. Während ein quantitativer Test die Ergebnisse in Zahlenwerten ausgedrückt, werden sie bei einem semiquantitativen Test in mehrere Gruppen (z.B. von 1 bis 5 oder gering; mittel; hoch oder +; ++; +++) eingeteilt. Ein semiquantitativer Test ist deswegen wesentlich ungenauer als ein quantitativer Test und eignet sich daher lediglich für ungefähre Annäherungen an den tatsächlichen Wert. [1]

Abbildung 1 zeigt die Problematik semiquantitativer Testverfahren anhand der Glucose mit Abständen von 100 mg/dl und größer. So wird hier bereits deutlich, dass eine genaue Bestimmung der Glucose nicht möglich ist.

Urinteststreifen sind für die Bestimmung der Glucose zu ungenau. Insbesondere bei der Anwendung für Diabetes sind sie nicht geeignet.
Abbildung 1: eigene Darstellung

Sensitivität und Spezifität

In diesem Beitrag, insbesondere in vielen der zitierten Studien, wird oft von Sensitivität und Spezifität des Ergebnisses durch Urinteststreifen gesprochen. Deshalb wollen wir diese Begriffe vorab differenzieren.

Die Sensitivität eines Tests beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass das Tier welches auf eine Krankheit untersucht wird die es tatsächlich hat, ein positives Testergebnis haben wird (wahr-positive Rate). Daher hat ein Test, der in 8 von 10 Tieren positiv ist, eine Sensitivität von 80%. In anderen Worten gibt die Sensitivität an, wie gut ein Test die Krankheit erkennt. Ein Test mit geringer Sensitivität kann also nicht viele Patienten mit der Krankheit identifizieren. Ein Test mit einer hoher Sensitivität ist hingegen nützlich, um eine Diagnose auszuschließen, wenn die Ergebnisse negativ sind.

Die Spezifität eines Tests beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tier, welches die Krankheit nicht hat auf die es untersucht wird, ein negatives Testergebnis aufzeigt (wahr-negative Rate). Daher hat ein Test, der bei 9 von 10 Patienten ohne Krankheit negativ ist, eine Spezifität von 90%. Die Spezifität gibt also an, wie korrekt ein Test einen Patienten mit Krankheit identifizieren kann, weil Tests mit hoher Spezifität eine niedrige falsch-positive Rate haben. Ein Test mit geringer Spezifität hingegen diagnostiziert viele Patienten mit Krankheit, auch wenn sie gesund sind. [2]

Urin Spezifisches Gewicht (USG)

Das Urin Spezifische Gewicht ist eine indirekte Methode zur Bestimmung der Urindichte. Einfach ausgedrückt misst das Urin Spezifische Gewicht die Konzentrationsfähigkeit der Nieren. [3]

Das USG liefert die aussagekräftigsten Informationen über die Nierenfunktion bei der Urinanalyse und dient außerdem als wichtige Grundlage für die Beurteilung anderer Testergebnisse. [4] Deshalb haben wir uns bereits in einem extra Beitrag mit dem USG befasst. Hier geht’s zum Beitrag: >>Urin Spezifischen Gewicht<<
In unserem Beitrag >>Azotämie<< könnt ihr außerdem erfahren, wie das USG dabei helfen kann die Ursachen eines erhöhten Harnstoff (BUN) und Kreatininwertes (CREA) im Blut besser einzuschätzen.

Die Bestimmung des USG mit Teststreifen ist bei Hund und Katze nicht aussagekräftig! Die Bestimmung des USG muss immer mit einem sogenannten „Refraktometer“ erfolgen! [4] [5]

Es sollte sich dabei um ein spezielles Veterinär Refraktometer handeln, da Hunde- und Katzenurin unterschiedliche refraktometrische (lichtbrechende) Eigenschaften hat. Refraktometer die in der Veterinärmedizin zum Einsatz kommen besitzen Skalen die speziell für die Verwendung bei Hunden oder Katzen entwickelt wurden (siehe Abbildung 3). So ermöglicht die Skala eines Vet Refraktometers die Bestimmung von USG-Werten von bis zu 1.060, während die Skala gängiger Humanmedizin Geräte lediglich bis 1.035 reicht. [4] Ein Veterinär Refraktometer kann sehr einfach und preiswert, z.B. über Amazon, erworben werden.

Ein Refraktometer für den Einsatz in der Tiermedizin liefert zuverlässige Ergebnisse bei der Bestimmung des Urin Spezifische Gewichts.
Abbildung 2: links: Eigene Darstellung; rechts: Hersteller

pH-Wert

Die empfohlenen Normalwerte für den Urin-pH bei Hunden und Katzen variieren in der Fachliteratur zwischen 5,0 und 8,5. Laut MSD Veterinary Manual liegt der ideale pH-Wert für Katzen allerdings zwischen 6,3 und 6,6 und bei Hunden zwischen 7,0 und 7,5. [6]

Der Urin-pH-Wert bei Katzen liegt optimalerweise im sauren Bereich. Hunde haben tendenziell einen höheren Urin-pH-Wert als Katzen.
Abbildung 3: eigene Darstellung

Der Urin pH-Wert kann Hinweise auf multiple Gesundheitsprobleme deines Tieres liefern. Der weitaus häufigste Grund für einen erhöhten pH-Wert ist ein Harnwegsinfekt. Hier produzieren bestimmte Bakterien (z.B. Staphylococcus oder Proteus spp.) Harnstoff, wodurch der Urin alkalischer wird. [8] [9] Außerdem kann ein erhöhter pH-Wert auf Schilddrüsenprobleme hinweisen. [10] Harnwegsinfektionen können sowohl Ursache als auch die Folge von Harnsteinbildung sein. [11]

Tatsächlich hängt die Bildung von Harnsteinen eng mit dem pH-Wert des Urins zusammen. Ein alkalischer Urin begünstigt beispielsweise die Formation von Struvitsteinen. [12] In einer Studie mit Katzen zeigten sich Struvitsteine in 46% der Urinproben, sofern der pH-Wert bei 7 lag. Bei einem pH-Wert von 7,8 konnten Struvitsteine bereits in 78% aller Urinproben gefunden werden. Bei einem sauren Urin von 5,8 konnten Struvitsteine hingegen in keiner der Urinproben nachgewiesen werden. [13] Auch bei Hunden kann ein saurerer Urin (pH <6,3) bei der Auflösung von Struvitsteinen helfen. Ein alkalischer Urin (pH >7,0) kann die Entstehung von Struvitsteinen hingegen fördern. [9]

Die Überwachung des pH-Wertes stellt daher einen hilfreichen Indikator dar, um frühzeitig Gegenmaßnahmen für die erneute Entstehung von Harnsteinen zu vermeiden, oder gar bestehende Harnsteine aufzulösen.

Nicht immer muss eine Abweichung vom Normalwert auf ein gesundheitliches Problem hindeuten. Denn der pH-Wert des Urins wird durch viele weitere Faktoren beeinflusst:

  • Art der Ernährung: eine Ernährung reich an pflanzlichen Inhaltstoffen führt zu einem alkalischen Urin, eine Ernährung die auf tierischen Proteinen basiert zu einem eher sauren Urin. [14]
  • Zeitpunkt der Urinsammlung: z.B. nach dem Fasten oder nach einer Mahlzeit
  • Art und Dauer der Probenlagerung: Längeres Herumstehenlassen des Urins bei Raumtemperatur erhöht den pH-Wert, insbesondere bei Katzen da sich Ammonium ansammelt, und sollte deshalb vermieden werden. Die Lagerung im Kühlschrank hat hingegen keine Auswirkung auf den pH-Wert. [15] Dennoch sollte der pH-Test am besten direkt nach der Probensammlung erfolgen, unabhängig von der Testmethode. [16]
  • Fehlerhafte Durchführung: Um eine Verfälschung des pH-Wertes zu vermeiden, solltet ihr den Teststreifen nicht in die Urinkultur tunken. Denn hier besteht die Gefahr, dass der Urin, welcher bereits in Kontakt mit anderen Testfeldern war, in das pH-Feld überläuft. Insbesondere das Testfeld für Proteine ist säurehaltig und kann den pH-Wert fälschlicherweise senken. Legt den Teststreifen am besten hin und gebt jeweils einen Urintropfen auf die jeweiligen Felder indem ihre eine kleine Pipette benutzt. Diese Methode erlaubt euch außerdem die Ergebnisse zeitgenauer abzulesen, da ihr sie nacheinander durchführen und in Ruhe ablesen könnt.
  • Fütterung von Nahrungsergänzungsmitteln oder Futtermitteln die den Urin ansäuern: Zu den harnansäuernden Substanzen zählen beispielsweise Methionin und Ammoniumchlorid.

Trotz korrekter Anwendung ist die pH-Bestimmung mit Urinteststreifen sehr ungenau und fehleranfällig, da es sich um ein semiquantitatives Testergebnis handelt. So messen Teststreifen lediglich in Schritten von 0,5 pH-Einheiten. Ein Ergebnis von 6,5 bedeutet also, dass der pH-Wert eigentlich zwischen 6 und 7 liegt. [17]

Die pH-Messung mit einem Urinteststreifen stellt also lediglich eine Annäherung an den Urin-pH dar und sollte nur zur ungefähren Kontrolle genutzt werden. Ein weitaus genauere Methode um den Urin-pH-Wert zu ermitteln, stellt die Nutzung eines (portablen) pH-Meters dar. [14] „Urine pH measurements should be made by use of a portable or benchtop pH meter when accurate measurements are crucial for diagnosis or treatment. Reagent strips and pH papers are useful in obtaining pH approximations but are not recommended when accurate measurements of urine pH are required.“ [18] Auch eine andere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass kleine elektronische pH-Messgeräte exzellent für die Heimanwendung bei Katzen geeignet sind: “Portable pH meters are excellent for monitoring urine pH at home as long as attention is given to electrode maintenance. Urine can be collected at home and kept refrigerated, and pH may be measured reliably within 24 hours using the reference method or a portable pH meter.” [19] Wenn das Tier in der Vergangenheit bereits an Harnsteinen litt, macht die Anschaffung eines solchen Gerätes durchaus Sinn, denn hier ist der pH-Wert kritisch für eine erfolgreiche Behandlung.

Nitrit

Die meisten bakteriellen Infektionen bei Hund und Katze werden nicht von Erregern verursacht, die Nitrat zu Nitrit umwandeln. [20] Beispiele hierfür sind Enterokokken, Staphylokokken, Pesudomonas oder Gonokokken. [21] Somit kann, bei einem negativem Nitrit Ergebnis, ein Harnwegsinfekt nicht ausgeschlossen werden! Des Weiteren sind beim Nitrit in der Veterinärmedizin sowohl falsch-positive als auch falsch-negative Ergebnisse häufig anzutreffen. Damit ist dieser Indikator zu unempfindlich für den allgemeinen Einsatz. [20] Der Nitrit Test ist für den veterinärmedizinischen Einsatz also nicht verwendbar und sollte ignoriert werden. [8] Stattdessen sollte eine bakteriologische Untersuchung (Urinkultur) erfolgen. Hierfür wird der Urin in einer Petrischale, welche mit einem Nährboden versehen ist, ausgestrichen und im Wärmeschrank bebrütet. Sollten Bakterienkolonien wachsen ist es sinnvoll ein Antibiogram erstellen zu lassen. [22] Die Anzucht von Bakterien ist nicht Teil einer routinemäßigen Urinanalyse! Ihr solltet euren Tierarzt deshalb gezielt darauf ansprechen. Grundsätzlich wird empfohlen eine Urinkultur auch immer dann anfertigen zu lassen, wenn Indikatoren wie einen Proteinurie und/oder eine Hämaturie vorliegen, da sie ein Hinweis auf das Vorliegen von Bakterien sein können. [8]

Leukozyten

Leukozyten sind weiße Blutkörperchen, die auf Entzündungen oder Infektionen hinweisen. Der Nachweis von Leukozyten im Urin mit Hilfe von Teststreifen ist bei Hunden und Katzen nicht möglich. Bei beiden Tierarten treten sowohl falsch positive als auch falsch negative Ergebnisse auf. Bei Katzen sind falsch-positive Ergebnisse am häufigsten. Das Vorhandensein von Leukozyten kann nur durch eine Untersuchung des Urinsediments diagnostiziert werden! [5] [23] „The dipstick method is an unreliable means of detecting leukocytes in the urine, especially in cats. Microscopic examination of the urine sediment is the method of choice.” [23]

Glucose

Der Nachweis von Glucose im Urin ist möglich, wenn der Glucosewert im Blut bereits so hoch ist, dass überschüssige Glucose über die Nieren ausgeschieden werden muss (Nierenschwelle). [20]

Beim Glucosenachweis per Testsreifen kann es zu falsch-negativen sowie falsch-positiven Ergebnissen kommen. Zu falsch-negativen Ergebnissen kann es beispielsweise kommen, wenn die Urinprobe gekühlt ist. Vor dem Test sollte die Probe daher immer auf Zimmertemperatur gebracht werden. Auch wenn Vitamin C über den Urin ausgeschieden wird, z.B. weil dies übermäßig supplementiert wurde, kann es zu falsch-negativen Ergebnissen kommen. Ein niedriger pH-Wert des Urins kann den Glucoseanteil im Urin ebenfalls verfälschen, und ihn niedriger ausfallen lassen, als er tatsächlich ist. Die Verunreinigung mit Reinigungsmitteln (Hydrogen Peroxid und Sodium Peroxide) kann hingegen zu falsch-positiven Ergebnissen führen. [8]

In einer Studie zeigte sich, dass Urinteststreifen zwar relativ hilfreich waren, um das Vorkommen von Glucose zu bestätigen, sofern das Testergebnis positiv war. Bei einem negativen Ergebnis kann eine Glucosurie allerdings nicht ausgeschlossen werden. Bei Katzen zeigte sich eine weitaus bessere Genauigkeit der Teststreifen als bei Hunden. „Automated assessment of the urine dipsticks yielded accurate results for 163 (60.1%) canine urine samples and 234 (92.1%) feline urine samples. Sensitivity of the automated dipstick reader for detection of glucosuria was 23% for canine samples and 68% for feline samples; specificity was 99% and 98%, respectively. Visual readings were more accurate than automated readings for both canine and feline urine.” [24] Insbesondere bei Hunden kann es daher zu Falschdiagnosen kommen, aufgrund des hohen prozentualen Anteils von falsch-negativen Ergebnissen. [8] [25]

Der Glucosenachweis per Teststreifen sollte niemals benutzt werden, um ein diabetisches Tier mit Insulin einzustellen! Hierfür sind sie zu ungenau, zu träge und nicht zuverlässig genug. Die regelmäßige Kontrolle der Blutzuckerwerte, auf dem das Diabetes Management basiert, muss mit einem dafür vorgesehenem Blutzuckermessgerät erfolgen! Auch die Diagnose von Diabetes ist mittels Urinteststreifen und Blutzuckermessgerät nicht ausreichend! Es wird ein umfangreiches Blutbild benötigt! [26] Denn erhöhte Glucosewerte können neben Diabetes auch durch Stress, Entzündungen, Nierenversagen, Acromegaly, Hyperadrenokortizismus usw. verursacht werden. [8] [27] Insbesondere Katzen sind anfällig für eine Stress-induzierte Hyperglykämie. [8]

Ketone

Die Kontrolle von Ketonen ist im Rahmen einer Diabetes mellitus Erkrankung von besonders großer Bedeutung, da sie erlaubt steigende Ketonwerte frühzeitig zu erkennen und damit ermöglicht frühzeitige Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um eine diabetische Ketoazidose – die nicht selten tödlich endet – zu verhindern. Doch die Überwachung von Ketonen über Urinteststreifen ist bei diabetischen Tieren keinesfalls ausreichend!

Ketone werden von der Leber als alternative Energiequelle erzeugt, wenn dem Körper keine Glucose als Energiequelle zur Verfügung steht. [28] Es gibt drei verschiedene Arten von Ketonkörpern – Acetoacetat (AcAc), Beta-Hydroxybutyrat (3-HB, Beta-HB, β-HB) und Aceton. Urintests messen lediglich das Vorkommen von Acetoacetat. Dieses kommt allerdings nur in schwachen Konzentrationen vor. Viel relevanter ist stattdessen das dominante Beta-Hydroxybutrate, welches den Großteil der Ketonkörper (beim Menschen rund 70%) ausmacht und nur über das Blut zuverlässig gemessen werden kann. [29] Dies bestätigt eine Vielzahl von Studien und die breite Fachliteratur: „The commonly used urine dipstick test, which is based on a nitroprusside reaction, gives a semiquantitative measure of urinary AcAc, but does not register the presence of urinary 3-HB, the predominant ketone body.” (Bresciana et al., 2014) [30]

“The frequently employed nitroprusside test only detects AcAc in blood and urine. This test is inconvenient, does not assess the best indicator of ketone body levels (3HB), provides only a semiquantitative assessment of ketone levels and is associated with false-positive results.” (Laffel, 1999) [31]

“Because urine dipsticks are more sensitive to acetoacetate than to acetone (with an approximately 10-fold sensitivity difference), and they do not detect ß-hydroxybutyrate, the magnitude of ketonuria may be underestimated.” (Grauer und Pohlman, 2016) [14]

„The most popular method for the detection of ketone bodies is the urine dipstick method. […] However, β-HB cannot be detected by using this method,“ (Weingart et al., 2012) [28]

Doch die mangelhafte Identifikation von Beta-Hydroxybutrate ist nicht das einzige Problem das mit Teststreifen einhergeht. Denn erschwert wird dies zusätzlich durch die Trägheit der Urinkontrolle. Denn Ketonkörper werden erst über den Urin ausgeschieden, wenn sie bereits in großen Mengen in das Blut freigesetzt wurden. Da bis zur Füllung der Blase und bis zur Ausscheidung des Urins mehrere Stunden vergehen, ist an Urinstreifen nur ein veralteter Wert abzulesen. Mit anderen Worten, sie geben Werte wieder die vor Stunden im Blut messbar gewesen wären! Eine diabetische Ketoazidose kann sich allerdings in wenigen Stunden entwickeln! Sind Ketone über einen Urinteststreifen nachweisbar ist dies bereits ein klares Warnsignal und Gegenmaßnahmen sollten umgehend eingeleitet werden! [32]

Die Messung der Blutketone ist der Urintestsreifen-Methode also deutlich überlegen und sollte daher entsprechend vorgezogen werden. “Capillary blood 3-HB measurement is a practical method that showed good correlation with the degree of acidosis during DKA management and appears superior to urinary AcAc for monitoring of these patients.” [30] Auch Weingart et al. (2012) bestätigt, dass die Kontrolle per Blut den Urintestsrreifen deutlich überlegen ist: „Measurement of ketones in blood rather than in urine helps eliminate the risk of false negatives due to insensitivity and false positives due to drug interference.” [28]

Es zeigt sich, dass sich eine Ketoazidose mittels Urinkontrolle kaum verhindern lässt. Per Messung im Blut allerdings schon, da sie sich zuverlässiger und vor allem frühzeitiger (schon in der Entwicklung) erkennen lässt! [32] Wenn man die hohen Kosten (aus unserer Erfahrung in diversen Foren bis zu 6000 EUR) zur Behandlung von Ketoazidosen in Tierkliniken, sowie das hohe Sterberisiko das damit verbunden ist berücksichtigt, so ist das Investment in ein Ketonmessgerät oder ein Blutzuckermessgerät, welches zusätzlich über eine Ketonmessfunktion verfügt, sehr sinnvoll. Die Ketonmessung per Blut ist außerdem ein hilfreicher zusätzlicher Indikator zum Finden der passenden Insulin Dosis.

Bilirubin

Mit Urinteststreifen kann nur konjugiertes (direktes) Bilirubin nachgewiesen werden. Dies ist die wasserlösliche Form, welches in der Leber gebildet und über die Galle ausgeschieden wird. Positive Ergebnisse sind gut verlässlich. Bilirubin kann im Urin also relativ zuverlässig per Teststreifen nachgewiesen werden, sofern es die Nierenschwelle überschreitet. „The dipstick method is a reasonably accurate means of detecting conjugated bilirubin in the urine.” [23]

Da Bilirubin an der Luft und unter Lichteinwirkung sehr instabil ist, sollte der Bilirubin-Test allerdings direkt nach der Urinsammlung durchgeführt werden um falsch-negative Ergebnisse zu vermeiden. [33] „Urine bilirubin may be falsely decreased if the urine sample undergoes prolonged exposure to ultraviolet light or stands at room temperature exposed to air.” Außerdem kann das Vorkommen von okkultem Blut das Testfeld für Bilirubin verfälschen. [8] Falsch-negative Ergebnisse können auftreten, wenn Vitamin C übermäßig supplementiert wurde. [12]

Bei Hunden kann es aufgrund einer sehr geringen Nierenschwelle, insbesondere bei konzentriertem Harn und bei männlichen Tieren, zu einem leichten Vorkommen von Bilirubin kommen, ohne dass dies ein Anzeichen für eine krankhafte Ursache darstellt. Andernfalls ist es aber auch bei Hunden ein Indiz für eine krankhafte Ursache, was weiterer Untersuchungen erfordert. „Trace to mild bilirubinuria (1+ or occasionally higher in highly concentrated urine) is within normal limits in dogs, most commonly in male dogs, but otherwise bilirubinuria is a pathologic finding.” [23] [12]

Bei Katzen verhält sich dies anders. Bei Katzen ist ein positives Ergebnis immer pathologisch, sprich ein klarer Hinweis auf ein krankhaftes Problem der Leber wie beispielsweise ein Ikterus. [5]

Urobilinogen

Urintestreifen sind für den Test von Urobilinogen bei Hund und Katze nicht von Nutzen. Bei einer Studie wurden rund 11.000 Urobilinogen Testergebnisse von Hunden und rund 2.070 Testergebnisse von Katzen untersucht. Bei Hunden zeigten sich gerade einmal 0,015% und bei Katzen nur 0,02% der Tests als positiv. Da die Testergebnisse des Uribillinogen keine klinische Aussage haben, können sie entsprechend ignoriert werden. [35] Neben den Leukozyten, dem Urin Spezifischen Gewicht und dem Nitrit, stellt der Urobilinogen damit einen weiteren Wert da, welcher per zur Urinanalyse per Teststreifen in der Tiermedizin keine Anwendung findet. [33]

Blut

Blut im Urin kann auf einen Harnwegsinfekt, eine Nierenbeckenentzündung oder eine Niereninsuffizienz hinweisen. Der Nachweis von Blut ist für Hund und Katze per Urinteststreifen möglich. Allerdings kann nicht genau bestimmt werden ob das positive Ergebnis aus Hämaturie, Hämoglobinurie oder Myoglobinurie resultiert. Der Nachweis von Hämoglobin steht zwar häufig mit dem Nachweis von Erythrozyten (Hämaturie) in Verbindung, muss aber nicht immer der Fall sein. Bei einem Nachweis von Blut im Urin sollte daher zusätzlich eine Sedimentsuntersuchung des Harns durch den Tierarzt erfolgen. [20]

Protein

Ein negatives Ergebnis per Urintestsreifen ist beim Proteintestfeld gut verlässlich. Sollte der Test allerdings positiv ausfallen ist dies ein Anlass für weitere Untersuchungen um die Proteinurie sicher zu bestätigen. Denn der pH-Wert des Urins beeinflusst das Ergebnis und kann zu falsch-positiven Ergebnissen kommen. Das ist vor allem bei einem alkalischem pH-Wert der Fall, insbesondere wenn der pH-Wert bei 8 und höher liegt. [12] Bei Katzen findet sich außerdem Cauxin im Urin was, besonders bei ausgewachsenen Katzen, häufig zu falsch-positiven Ergebnissen führt. [33] [34] Ein positiver Proteinnachweis per Teststreifen sollte daher immer per Labor verifiziert werden! Zur Quantifizierung der Proteinurie sollte außerdem der Kreatinin-Protein Quotient über ein Labor bestimmt werden, da dieser Indikator die Beeinflussung der Urindichte ausschleißt. [5] [33] Eine Studie untersuchte 121 Urinproben von Katzen und stellte zusammenfassend fest : “The dipstick test was not accurate for detecting proteinuria when combined with urine-specific gravity in cats. Clinicians should not rely on this test and, regardless of the urine concentration, other appropriate quantitative methods such as urine protein-creatinine ratio should always be performed to detect proteinuria in cats.” [36] Auch die International Renal Interest Society (IRIS) empfielt: „ The specificity of the dipstick screening test for albuminuria is poor (especially in cats) and therefore traditional dipstick positive proteinuria should be confirmed with a more specific follow-up test such as the UPC or species-specific albuminuria assays.” [37]

Beim Proteintest ist also nur ein negatives Ergebnis als verlässlich. Positive Ergebnisse sollten stattdessen angezweifelt werden und weitere Untersuchungen veranlassen, insbesondere bei Katzen.

Protein/Kreatinin-Quotient

Mittlerweile gibt es Teststreifen (z.B. One+Step Nierentest) auf dem Markt die versprechen ein verlässliches Protein/Kreatinin-Verhältnis per Teststreifen ermitteln zu können. Diese Tests sind eine reine Kombination aus einem Protein-Testfeld, einem USG-Testfeld, wie sie zuvor bereits beschrieben wurden, und einem Kreatinin-Testfeld. Zur Spezifität oder Sensitivität des Kreatinin-Testfeldes wurde in der veterinärmedizinischen Fachliteratur derzeit nichts gefunden. Daher können wir dazu keine Aussage treffen. Allein weil der USG per Teststreifen keine Aussage hat und aufgrund der starken Einschränkungen beim Proteinnachweis, kann auch dieser Test als irrelevant betrachtetet werden. Das Protein/Kreatinin Quotient muss von eurem Tierarzt über ein Labor ermittelt werden.

Fazit

Lediglich der Test auf okkultest Blut und Bilirubin (sofern positiv) liefern per Urinteststreifen ein zuverlässiges Ergebnis.

Der pH-Wert dient lediglich als ungefähre Annäherung und der Nachweis von Ketonen, Glucose und Proteinen weisen ebenfalls starke Einschränkungen auf, weshalb diese Ergebnisse durch andere Methoden gesichert werden müssen. Insbesondere beim Vorliegen eines Diabetes mellitus sind Urintestsreifen keinesfalls zur Kontrolle der Glucose und der Ketone geeignet!

Da der Nachweis des Urin Spezifischen Gewichts, Urobilinogen, Nitrit und Leukozyten in der Tiermedizin per Urinteststreifen nicht möglich ist und sie daher eigentlich gar keine Anwendung finden, ist fraglich warum diese Testfelder überhaupt in die Teststreifen integriert werden. Daher solltet ihr euch nicht zu sehr auf die Ergebnisse der Teststreifen verlassen. Sollte ein akuter Verdacht auf ein gesundheitliches Problem vorliegen, so solltet ihr nicht zögern und euren Tierarzt oder eure Tierärztin aufsuchen.

Quellen

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